KonTEXT digital

KonTEXT digital

KonTEXT digital

wurde als Zusatzangebot für Teilnehmer des Leseprojekts KonTEXT, einem Jugendhilfeprojekt der Hochschule München, entwickelt. KonTEXT richtet sich an Jugendliche und Heranwachsende, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, und umfasst zahlreiche Angebote, darunter

  • Lesegruppen in den Jugendarrestanstalten München und Landshut sowie für jungen Untersuchungshäftlinge in der Justizvollzugsanstalt München
  • Bücherei, Textwerkstätten, Themengruppen und Bildungsmaßnahmen in der Jugendarrestanstalt München
  • Einzelbetreuung von Jugendlichen die durch einen Jugendrichter oder Staatsanwalt durch eine sogenannte Leseweisung zur Teilnahme am Leseprojekt verpflichtet wurden.

Link zum KonTEXT-Blog

Die Betreuung der Leseweisungen  findet an der Hochschule (Fakultät für Sozialwissenschaften) und der Ludwigs Maximilians Universität statt und endet mit einer kreativen Abschlussarbeit, die nicht selten im Medienlabor der Fakultät für Sozialwissenschaften angefertigt wird Besonders gerne nutzen die Jugendlichen die dortige Möglichkeit, Raps zu gestalten. Auch andere Angebote des Medienlabors (Produktion von Videos, Erstellung von Plakaten mit Photoshop)  probieren die Jugendlichen gelegentlich aus.

Die zunehmenden informellen Kontakte zwischen Jugendlichen aus dem KonTEXT-Projekt und Studierenden sowie Mitarbeitern des Medienlabors  führten im Wintersemester 16/17  zum ersten gemeinsamen Projekt (Produktion von Musikvideos). Die Erfahrungen aus diesem Projekt verdeutlichten, welche Chancen solche Medienprojekte für die Arbeit mit straffälligen Jugendlichen eröffnen, weil sie in besonderer Weise geeignet sind, Zugänge zu den Lebenswelten solcher Jugendlichen zu erschließen. Gleichzeitig ergaben sich aus der Zusammenarbeit mit den Jugendlichen Hinweise auf problematische Nutzungsformen und Wirkungen von social media und Messengerdiensten, die eine intensivere Befassung mit dieser Thematik sinnvoll erscheinen ließen.

Mit dem geförderten Projekt „KonTEXT digital“ bot sich die Möglichkeit, einer Gruppe von Jugendlichen aus dem KonTEXT-Projekt nicht nur einen Lern-, Experimentier- und Entfaltungsraum im Medienlabor der Hochschule zu erschließen, sondern die Jugendlichen damit verbunden auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Nutzen und Risiken digitaler Medien zu veranlassen. Das geschah im Zusammenwirken mit interessierten Studierenden und einem Mitarbeiter des Medienlabors mit fachlichem Schwerpunkt Film. Ziel der Zusammenarbeit war ein selbst produziertes Webvideo. Darin sollte ein von den Jugendlichen selbst gewähltes Thema mit Bezügen zu deren Lebenswelten unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Bedeutung von digitalen Medien behandelt werden.

Findungsphase

Zielgruppe des Projekts sollte eine Gruppe von fünf ehemaligen Teilnehmern aus dem  KonTEXT Projekt zwischen 16 und 21 Jahren (überwiegend mit Migrationshintergrund) sein, die bereits im Rahmen des ersten Medienprojekts (Musikvideos) Erfahrungen im Medienlabor gesammelt hatten. Es zeigte sich allerdings, dass die mehrmonatige Pause zwischen den beiden Projekten zu lang war. So war einer der zuvor aktivsten Jugendlichen  wieder so abgerutscht, dass er für das Projekt nicht mehr zur Verfügung stand. Es bedurfte mehrerer Termine und einer Reihe von Einzelgesprächen, bis sich die Gruppe mit zum Teil neuen Mitgliedern wieder konstituiert hatte. Fortan gab es neben dem festen Kern von fünf Jugendlichen eine Reihe von weiteren Jugendlichen, die unregelmäßig mitwirkten.

Themenfindung

Die Themenfindung gestaltete sich spannend, weil die Jugendlichen in dem Film entgegen der anfänglichen Erwartungen nicht etwa problematische Aspekte ihrer Lebenswirklichkeit (Gewalt, Drogen, familiäre Probleme etc.) thematisieren wollten, sondern sich mit ihren Interessen und Stärken (Graffiti, Rap) präsentieren wollten. Offen zeigten sie sich gleichzeitig für eine kritische Auseinandersetzung mit den digitalen Medien. Auffällig war dabei die  von Anfang an – und wahrscheinlich durch negative Erfahrungen gespeiste – kritische Haltung zu social media und dem Messengerdienst WhatsApp. Ein Jugendlicher legte diese in einem langen Essay für das neue Medienprojekt nieder. Der Text wurde in Auszügen in den später produzierten Film eingesprochen. Zeigen wollte sich der Jugendliche in dem Film nicht.

Produktionsphase

Die Umsetzung der Projektidee verlief aufgrund der Unzuverlässigkeit mancher Jugendlicher phasenweise schleppend. Diese Unzuverlässigkeit hing nicht mit mangelndem Interesse der Jugendlichen an dem Projekt, sondern mit persönlichen Problemen zusammen, die immer wieder aufbrachen und die Notwendigkeit für Einzelgespräche begründete. Um zu gewährleisten, dass immer alle Jugendlichen über den Verlauf der Arbeiten informiert waren, wurde eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, der aber bezeichnenderweise nicht alle beteiligten Jugendlichen beitraten. Gleichzeitig beschlossen die Jugendlichen eine Aufgabenteilung, um die Abhängigkeiten von der Gesamtgruppe geringer zu halten. Die Produktion des Filmmaterials erfolgte deshalb in Teilgruppen zu unterschiedlichen Terminen, teilweise auch außerhalb der Hochschule. Der Gesamtzahl der Treffen und der Aufwand für die Zusammenführung des Film- und Textmaterials erhöhte sich durch diese Vorgehensweise beträchtlich. Gleichzeitig ermöglichten diese gesplittete Vorgehensweise eine individuellere Beschäftigung mit den einzelnen Projektteilnehmern und deren Vorstellungen.

 

Ergebnisse

Aus der Fülle des heterogenen Filmmaterials wurde mit fachlich-technischer Unterstützung durch einen Betreuer am Ende ein knapp 7-minütiges Webvideo geschnitten, in dem alles (Bild, Wort und Musik) von den beteiligten Jugendlichen stammt. Zu Beginn des Filmes präsentieren sich einzelne Projektteilnehmer mit ihren Leidenschaften und Stärken (Graffiti, Rap) und die sozialen Medien (insbes. YouTube) werden hier in ihren positiven Verstärkerwirkungen als Ort der Selbstdarstellung thematisiert. Im weiteren Verlauf des Filmes rückten die Risiken des Internets immer mehr in den Blick. Ein längerer Auszug aus einem Interview von Projektteilnehmern mit einem Cybermobber und Worte eines Jugendlichen, der negative Erfahrungen mit sozialen Medien gemacht hat, runden den Film ab. Die Projektteilnehmer selbst waren und sind mit ihrem Produkt sehr zufrieden. Ähnliches gilt trotz aller Herausforderungen, die mit dem Projekt verbunden waren, auch für die Betreuer. Denn das Projekt bot nicht nur die Möglichkeit zu einem intensiven und produktiven Austausch mit den Jugendlichen zu ihrem Verhältnis zu bestimmten digitalen Medien, sondern erwies sich auch als eine sehr effektive Chance, mit Jugendlichen aus dem KonTEXT Leseprojekt in einem von diesen positiv erlebten Kontakt zu bleiben und dadurch die Wirkungen aus der vorangegangenen Lesemaßnahme nachhaltiger zu gestalten.

Der fertige Film kann unter diesem Link betrachtet werden.