Lauschen & Erleben
Gestaltung eines App-basierten Audio-Naturerlebnis-Parcours am ÖBZ mit Kindern und für Kinder
Projektidee
Das Münchner Umwelt-Zentrum e.V. im Ökologischen Bildungszentrum München (ÖBZ) ist für die Gestaltung und Entwicklung des zum ÖBZ gehörenden 6,5 Hektar großen öffentlichen Freigeländes zuständig. Dazu zählt auch der sogenannte „NaturSpielRaum“, der Kindern das Spielen in der Stadtnatur ermöglicht und nahebringen soll. Es gehört zum Grundverständnis des ÖBZ, Kinder und Jugendliche (also die Nutzer*innen) an der Entwicklung des NaturSpielRaums zu beteiligen. Hierfür wurden bereits von Beginn an Planungswerkstätten angeboten, um den Ideen der Kinder ein Forum zu bieten, ihre Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen und entsprechend in gemeinsamer Projektarbeit umzusetzen.
Diesen Ansatz möchten wir in unserem Audio-Parcours-Projekt fortsetzen und auch methodisch erweitern: Wir möchten mit Kindern ein Tool verwenden, mithilfe dessen sie den NaturSpielRaum auf neue Weise spielerisch und interaktiv inmitten der Stadtnatur auf neue Weise erleben können – über einen spielerischen Audio-Walk auf der Basis einer Geodaten-gesteuerten multimedialen Smartphone-App.
Dieses Feature erweitert die Möglichkeiten des Zugangs zum NaturSpielRaum. Die Kombination von Aktion, Reflexion und Sinneserfahrung führt zu einem multimedialen Naturerlebnis, in dem Kinder sich bewegen und trotz der technischen Unterstützung die Natur „mit allen Sinnen“ erleben. Das Besondere: Kinder kreieren für Kinder (Peer2Peer) ein Entertainment- und Reflexions-Format, das gleichsam für Kinder, Kindergruppen und Familien interessant ist.
Zielsetzungen
Ziel 1: Storytelling und Philosophieren mit Kindern / Erfahrungswelten der Kinder einbeziehen
Kern der Idee ist eine mit den Kindern zu entwickelnde Fantasie-/Erlebnisreise. Der Storytelling-Prozess hat das Ziel, gemeinsam einen Erlebnis-Parcours zu erarbeiten, in dem sich Aktion, Reflexion, Natur- und Sinneserfahrungen und andere To-Dos, die sich im NaturSpielRaum anbieten und die die Kinder als spannend und interessant erachten, abwechseln und die spielerisch durch den NaturSpielRaum leiten. Lauschen, beobachten, lustige Dinge tun, die choreografisch spannende Wirkung haben können, mit Impulsfragen, die zum Nachdenken über die Welt und zum Verhältnis zur Natur anregen können.
Ziel 2: Partizipativ Erlebniswelten von Kindern für Kinder schaffen
In der Umsetzungsphase werden die Kinder an der Produktion der Audiofiles und der Kreation des Parcours (Reihenfolge der Stationen, Dramaturgie, Choreografie etc.) beteiligt. Sie werden mit einer medienpädagogisch erfahrenen Hörfunk-Redakteurin die Audios aufnehmen, die in der Postproduktion weiter verarbeitet werden.
Ziel 3: Medienkompetenz entwickeln
Der fertige Audio-Parcours kann in Naturerlebnis-Angebote des ÖBZ integriert und für Schulen, Hortgruppen u.a. oder bei Aktionstagen für junge Leute angeboten werden. Die App kann mit allen gängigen Smartphones genutzt werden. Das ÖBZ hat aber auch eigene Geräte, die ausgeliehen werden können.
Ziel 4: Schaffung einer neuen multimedial-gestützten Experience für Besucher*innen des ÖBZ
Die geplante Hör- und Erlebniserfahrung kann ein unterhaltsamer, lehrreicher und sinnlicher Zugang sein, um sich alleine oder in der Gruppe (z.B. als Familie) den NaturSpielRaum zu erschließen.
Zielgruppe
Das Projekt ist eingebunden in unsere Aktivitäten, Kinder bei der (Weiter-)Entwicklung des NaturSpielRaums zu beteiligen. Aus diesem Grund wollten wir Kinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren erreichen, die den NaturSpielRaum am ÖBZ nutzen. Hierfür haben wir den benachbarten „Mädchen- und Jungentreff Muspilli“ des KJR München-Stadt als Kooperationspartner gewinnen können. Aus dem Kreis dieser offenen Einrichtung haben sich mehrere interessierte Kinder bereit erklärt, bei unserem Projekt mitzumachen.
Projektablauf
Das Projekt gliedert sich in folgende Phasen:
- Übungen mit Ohren und Mikrofon
- Erleben des NaturSpielRaums
- Storytelling
- O-Töne aufnehmen und Audio-Produktion
- Anwendung der ECHOES-App
Zunächst waren insgesamt vier Projektnachmittage im ÖBZ geplant. Es hat sich aber gezeigt, dass mehr Treffen notwendig waren, um die Kinder in das Projekt und die Technik einzuführen, ihnen die Projektidee zu erklären, ihnen den NaturSpielRaum zu zeigen, gemeinsam den Storytelling-Prozess anzuregen, das Drehbuch zu verfassen und schließlich die Tonaufnahmen zu machen. Zudem war absehbar, dass wir weitere Termine brauchen werden, um die fertige Tour gemeinsam zu testen und mit einem kleinen Fest den Eltern und Freunden zu präsentieren.
Übungen mit Ohren und Mikrofon
Der erste Termin wurde genutzt, um die Projektbeteiligten und Projektidee vorzustellen. Anschließend wurden die Kinder mit der Technik und dem Hörsinn vertraut gemacht. Mit einer „Ohrenmassage“ führte Geli Schaus in die Sinneswahrnehmung ein. In praktischen Wahrnehmungsübungen erleben die Kinder, wie sich Stille anhört, was man hört, wenn man sich die Ohren zuhält? Wie man den Hörsinn schärft, indem man die Augen schließt. Dann wurde erklärt, wie die Aufnahmegeräte funktionieren und beispielsweise besprochen, wie weit vom Mund man das Mikrofon halten sollte, damit eine gute Tonaufnahme gelingt. Jedes Kind durfte alleine und in Partnerübungen erste Erfahrungen mit den Aufnahmegeräten machen. Für ein Geräusche-Rätsel sollten sie in der Natur Töne aufnehmen (zum Beispiel das Klopfen von Steinen auf Holz, das Rascheln von Blättern etc.), die später die anderen Kinder zu erraten versuchten.
Erleben des NaturSpielRaums
Im nächsten Schritt wurden die Kinder mit dem NaturSpielRaum vertraut gemacht. Anhand eines ÖBZ-Geländeplans gingen wir gemeinsam eine mögliche Route ab. Die Kinder sammelten an verschiedenen Punkten des Streckenverlaufs Ideen für ihre fantasievolle Erlebnisreise, die auf dem Plan lokalisiert und anschließend im Seminarraum und bei den folgenden Treffen weiter besprochen und ausgearbeitet wurden.
Storytelling
Mit den Kindern haben wir in mehreren Treffen die Geschichte entwickelt. Die Einzelideen wurden zu einem Handlungsstrang zusammengeführt. Welche Stilmittel sind möglich? Welche Figuren müssen eingeführt werden? Auf welche Stationen wollen wir uns konzentrieren? Wie entsteht ein Spannungsbogen? Diese und andere Fragen wurden im Prozess des Storytellings angesprochen. Im letzten Treffen der Drehbuch-Phase wurde der aktuelle Stand des Manuskripts mit Laptop und Beamer an die Leinwand projiziert und Szene für Szene, Satz für Satz mit den Kindern besprochen. Es gab lebhafte Debatten und Abstimmungen über die Handlung, die Art der Abenteuer, über die Namen und Charaktere der Protagonisten, aber auch über einzelne Formulierungen und anderes mehr.
Startpunkt: Begrüßung und Einführung
Das erste Audio begrüßt die Nutzer*innen. Es heißt sie herzlich willkommen zur Audiotour durch die Natur rund ums ÖBZ.
Wegbeschreibungen und Naturerlebnisse
Mit den Kindern wurde besprochen, wie sie für die Nutzer*innen, die sich ja vermutlich nicht auf dem Gelände auskennen, präzise Orientierungshilfen formulieren, damit man sicher von einer Station zur nächsten gelangt. Die Wegbeschreibungen werden angereichert mit Beobachtungshilfen, Fakten und kleinen Geschichten über die Natur.
Kennenlernen des Protagonisten und Beginn der Fantasiereise
Zunächst wird – inspiriert durch das Lindwurm-Kunstwerk am Eingang des NaturSpielRaums – als tragende Figur und Erzähler der Drache eingeführt. Die Kinder haben sich bei der Entwicklung dieser Figur über den Charakter des Drachen ausgetauscht: Soll er alt sein oder jung, gut oder böse, welche Stimmung soll er erzeugen, verängstigt er Kinder oder weckt er in ihnen Mut?Der Drache lädt dazu ein, ihn auf einer abenteuerlichen Reise über das ÖBZ-Gelände zu einem geheimen Ort zu begleiten: Er wird an jeder Station die Kinder zu einer Art Challenge motivieren. Jede Aufgabe wird mit einem wiederkehrenden Slogan angekündigt:
„Also jetzt geht´s los. Und immer: Ohren spitzen und Augen auf. Hier gibt es so viel zu entdecken!“
Erstes Abenteuer: „Der Fußfühlpfad“
Beim Fußfühlpfad sollen die Kinder mit ihren Füßen den Untergrund spüren: Steine, kleine und große, Ziegelbruch, Kiesel, Erde, Lehm, also gestampfte Erde, Natursteine, Rindenmulch …
Zweites Abenteuer: „Im Löwenmaul“
Das zweite Abenteuer gibt es beim Hexenhäuschen und dem gegenüber liegenden Löwen, der als Kriechtunnel fungiert. Aber keine Angst vorm Löwenmaul – der Löwe freut sich, wenn Kinder durch ihn hindurchkrabbeln.
Drittes Abenteuer: „Über die Stemmbrücke“
„Sucht den gespaltenen Baumstamm.“ Dieser Baumstamm, der als Stemmbrücke über einen Graben führt, war nämlich der Lieblingsbaum des Drachens. „Er wurde vom Blitz gespalten“, erzählt er. Jetzt kann man super drüber balancieren. Ein bisschen Mut ist nötig, um die Stemmbrücke zu überwinden.
Viertes Abenteuer: „Baum-Mikado“
Am sogenannten Baum-Mikado erzählt der Drache folgende Geschichte: „Als ich noch jung war sind wir um diesen Baum um die Wette geflogen. Lauf auch du ein paar Rum den Baum, zwei Runden. Und dann geht um den Baum, ganz langsam.“
Fünftes Abenteuer: „Der Weg zur Drachenschlucht“
Als nächstes geht es darum, den Weg in die Schlucht – die finale Station der Tour – zu zeigen. Der Abstieg in die „Schlucht“ ist für die Kinder ein abenteuerliches Erlebnis, das etwas Geschick erfordert. Sie werden angehalten, achtsam mit den Wurzeln umzugehen.
Sechstes Abenteuer: „In der Schlucht“
In der Schlucht entdecken die Kinder jede Menger Unterschlupfe, Wurzelhöhlen, von Kindern errichtete kleine Tipis aus Holzstämmen und Ästen. Die Kinder können im Spiel ihre Fantasie frei walten lassen.
Der Drache moderiert den Abschluss der Fantasiereise und verabschiedet sich. Man hört nur noch das Rascheln von Blättern und wie sich der Drache vermeintlich in Erde buddelt.
In den ersten sechs Workshop-Terminen schafften wir es, die Rohfassung des Drehbuchs gemeinsam fertigzustellen und abzustimmen sowie die einzelnen Audio-Stationen der Tour für die Echoes-App festzulegen. Außerdem wurde bereits ein Großteil der O-Töne von den Kindern aufgenommen. Aufgrund der Corona-Pandemie musste das Projekt leider unterbrochen werden. Die Kindereinrichtung wurde geschlossen, Kontaktsperren wurden verordnet und das ÖBZ durfte keine Veranstaltungen durchführen. Sobald wieder Treffen mit den Kindern möglich sind, werden die fehlenden Tonaufnahmen nachgeholt und die „Lauschen & Erleben“-Tour fertiggestellt.
Echoes-App
Echoes (www.echoes.xyz) ist eine frei zugängliche App, mit der man Geodaten-basierte Touren anlegen kann. Wir haben diese App getestet und sie als sehr intuitiv zu nutzende Anwendung für unser Projekt ausgewählt.
Backend: Das Echoes-CMS
Für die App steht ein CMS zur Verfügung, das vom PC aus bedient werden kann. Basierend auf Openstreetview lassen sich einzelne Audiopunkte festlegen, die zu Touren verbunden werden können. Zu jedem Audiopunkt können Inhalte wie Titel, Beschreibungstext, Bilder und Audiofiles eingefügt werden. Ebenso kann der Radius festgelegt werden, innerhalb dessen das Abspielen des Audios ausgelöst wird.
Frontend: Die Echoes-App
Die App selber wird auf dem Smartphone installiert. Bei eingeschaltetem GPS wird jeweils die räumlich nächste Tour zuoberst angezeigt. Diese wird heruntergeladen. Sobald man sich einer Audiostation hinreichend nähert, wird der aufgenommene Sound abgespielt. Parallel kann man auf einer Karte sehen, wo sich die Audiostationen befinden und sich (wenn man möchte) auf diese Weise orientieren.
Mitwirkende
Frauke Feuss betreute das Projekt von Seiten des Münchner Umwelt-Zentrums e.V. / ÖBZ hinsichtlich des Partizipationsprozesses, der Umweltbildungsaspekte und der Koordination, was die Nutzung der Freiflächen angeht. Marc Haug übernahm die Projektleitung und medientechnische Koordination.
Annika Brehm als Leiterin des „Muspilli“ sowie ihre Mitarbeiterinnen sind unsere Ansprechpartnerinnen und Kontaktpersonen zu den Kindern und deren Eltern.
Mit Geli Schmaus, Hörfunk-Redakteurin mit großer Erfahrung in medienpädagogischen Projekten, haben wir eine Expertin für die redaktionellen Aufgaben und für die Produktion der Audios gewinnen können. Das Einsprechen der tragenden Erzählerstimme wird von einem Schauspieler übernommen.
Die Kinder des „Muspilli“, die den NaturSpielRaum erkunden, erarbeiten die fantasiereiche Story und lieferten gesprochene Texte und O-Töne.
Erfahrung und Ausblick
Die Kinder meldeten uns zurück, dass sie die Projektidee gut finden und immer gerne zu den Workshop-Nachmittagen gekommen sind. Sie haben sich stets sehr lebhaft und engagiert beteiligt. Schwierig war es für die Kinder mitunter, am Nachmittag noch die nötige Aufmerksamkeit und Konzentration aufzubringen. Eine weitere Herausforderung war die große Altersspanne und der unterschiedliche Wissensstand der Kinder, was das Geschichtenerzählen und die technische Umsetzung angeht. Da nicht immer alle Kinder zu einem Treffen kommen konnten, musste viel Zeit aufgebracht werden, um jedes Mal alle wieder auf den aktuellen Stand zu bringen. Insgesamt sehen alle Kinder dem Projektergebnis mit großer Spannung entgegen.
Sobald es wieder möglich ist, werden die Kinder zu einem nächsten Termin eingeladen, bei dem zu Beginn der aktuelle Stand des Projekts rekapituliert wird. Wenn alle fehlenden Tonaufnahmen gemacht sind, wird Geli Schmaus daraus die einzelnen Szenen vertonen, die Sprechertexte von einem Schauspieler einsprechen lassen und die Audiofiles fertigstellen. Diese werden dann in die App hochgeladen, um im letzten Schritt die Tour mit den Kindern auszuprobieren und das Ergebnis – gemeinsam mit den Eltern und Freund*innen – zu feiern. Es freut uns, dass wir am Ende ein Produkt vorliegen haben, das nicht nur den Beteiligten Freude gemacht hat, sondern auch anderen Kindern zugänglich sein wird. Wir werden den Parcours mit Flyern oder Postkarten bewerben und zum Beispiel auf Aktionstagen offensiv anbieten. Hier können wir auf unsere Leihgeräte zurückgreifen, sodass die Kinder nicht einmal ein eigenes Smartphone besitzen müssen.
https://explore.echoes.xyz/collections/rVRZqqmKwPlTCYBY
Das Projekt wurde im Rahmen des medienpädagogischen Förderprogramms Kooperationsprojekte „Neue Medien und Internet“ 2019/2020 von Stadtjugendamt München und Netzwerk Interaktiv gefördert. Wir sagen DANKE!