Skate and Create – Dein digitales Workbook
10. März 2020 | by Lydia Sölva, HIGH FIVE e.V. | Herbstausschreibung 2019
Medien-AG an einem sonderpädagogischen Förderzentrum
Wie gestaltet man mediale Inhalte? Was für Geräte braucht es dazu und wie bediene ich diese? Wie erstelle und bearbeite ich Videos? Wie formuliere ich Texte? Wie bringe ich die von mir selbst erlebten sportlichen Inhalte (Skaten) ein und setze Ideen hierzu um? Diese und weitere Fragestellungen haben wir mit den Schüler*innen im Medienprojekt erarbeitet und kreativ umgesetzt. Ziel war es, ein digitales Skateboard Workbook in Form einer Spiele-App (Actionbound – digitale Schnitzeljagd) zu erstellen und mit selbstkreierten medialen Inhalten zu füllen. Gefördert wurde dieses Projekt im Rahmen des medienpädagogischen Förderprogramms vom Stadtjugendamt München und Netzwerk Interaktiv, www.kooperationsprojekte-muc.de.
Beteiligte (Zielgruppe und Anleitung)
An dem Medienprojekt nahmen insgesamt 22 Schüler*innen des Sonderpädagogischen Förderzentrum Süd teil. Es handelte sich um eine fünfte und eine sechste Klasse, welche jeweils in zwei Kleingruppen geteilt wurde. Die Schüler*innen haben in unterschiedlichen Bereichen einen besonderen Lernförderungsbedarf, weshalb ein sensibler Umgang mit ihnen nötig war. In Absprache mit den Klassenleitungen wurde auf besondere Bedürfnisse eingegangen. Begleitet wurde das Projekt von Stefanie Brosz, medienpädagogischer Fachkraft und Lydia Sölva, Sozialpädagogin bei HIGH FIVE e.V. Frau Brosz begleitete 12, Frau Sölva alle 20 Termine.
Raum, Technik und Zeit
Wir arbeiteten mit den Schüler*innen ein Schulhalbjahr (September 2019 bis Februar 2020) lang an dem Medienprojekt. Insgesamt wurden pro Schulklasse 20 Termine (á 2 UE) abgehalten. Da die Schüler*innen in einem zweiwöchigen Rhythmus an dem Medienprojekt teilnahmen, kam jede/r Schüler*in auf insgesamt 10 Termine (á 2 UE). An dem jeweils anderen Termin besuchten die Schüler*innen die parallel laufende Skate-AG von HIGH FIVE. Die Medien-AG wurde im EDV-Raum der Schule, dem Schulgelände und anderen Orten des Schulgebäudes abgehalten.
Genutzte technische Hilfsmittel waren Tablets (iPads, iOS), Computer (Windows 7, Firefox Browser, Word, Paint), Huawei Giga Cube (für die Internetversorgung der Tablets, um auf Actionbound zugreifen zu können), Kopfhörer und Mobiltelefone (unterschiedliche Hersteller). Folgende Apps und Softwares wurden von den Schüler*innen genutzt: Kamera, Actionbound, Garage Band, GIFShop, Stop Motion Studio, iStopMotion, Music Maker, Groovepad, LaunchPad, RemixeLive und iMovie. Hierzu benötigten wir eine dauerhafte und stabile Internetverbindung sowie WLAN.
Projektziele
Medienkunde / Persönliche Medienkompetenz fördern
Im ersten Schritt soll den Schüler*innen Wissen über diverse Medien sowie deren Funktionsweisen vermittelt werden. Die Schüler*innen sollen in der Lage sein, technische Funktionen von Hardware (PC, Smartphones, Tablets, Kamera) und deren Anwendungen richtig zu bedienen und für sich optimal zu nutzen. Hierzu gehört beispielsweise der Einsatz von Film und Fotografie und Kenntnisse über Perspektiven und Funktionen. Überdies sollen sie zu einem kreativen und kritischen Umgang mit Medien angeregt werden.
Mediengestaltung / Förderung der Kreativität und Selbstständigkeit
Die bereits bekannten oder erst kennengelernten Medien sollen den Schüler*innen neue Wege und Ausdrucksmöglichkeiten zeigen, in einem kreativen und selbstbestimmten Prozess Inhalte zu erarbeiten. Nach der Einführung in den Gestaltungsprozess der App (Actionbound) sollen sich die Schüler*innen mit der Ideenentwicklung, dem Planen und Gestalten von Medieninhalten bis hin zur Implementierung der Inhalte in die App beschäftigen. Da das Endprodukt ein Gruppen-Bound werden soll, steht natürlich auch Teamwork und die Förderung der Kommunikationsfähigkeit, die einem sehr engen Bezug zur Medienkompetenz steht, auf dem Plan. Die Schüler*innen sollen sich gemeinsam auf Inhalte einigen und im Hinblick darauf, Aufgaben sowie Zuständigkeiten verteilen.
Spaß am Spiel und körperlicher Aktivität
Die Schüler*innen sollen kreative Aufgabenstellungen entwickeln, welche in authentischen, realen Herausforderungen ihren Ursprung haben. Sie sollen in der Skateboard AG Ideen für die Aufgabenstellungen des Bounds sammeln und diese im Anschluss umsetzen. Dabei sollen sie diese durch die eigene körperliche Aktivität spielerisch erfüllen und dabei Spaß haben.
Projektablauf / Umsetzung der Projektziele
Phase 1: Kennenlernen, Erwartungshaltungen abstecken
Zu Beginn war es uns wichtig, die Schüler*innen etwas besser kennenzulernen und eine positive Gruppendynamik entstehen zu lassen. Dies gelang uns mit verschiedenen aktiven und passiven Kennenlernspielen sowie dem gemeinsamen Prozess der Namensfindung (Gruppen- und Boundname). Erwartungen der Schüler*innen zum Medienprojekt wurden von uns abgefragt, um hierdurch geplante Inhalte ggf. noch anpassen zu können.
Phase 2: Medien, Ablauf, Workbook und Storyboard
Was sind Medien? Welche Medien nutzt ihr und wie häufig (Hardware, Software)? Zunächst sammelten wir mittels Brainstorming alle möglichen Arten von Medien und erklärten in diesem Kontext auch, welche Möglichkeiten man hat, diese Medien zu nutzen. Im nächsten Schritt haben wir mit den Schüler*innen das kommende Halbjahr besprochen. Den konkreten Ablauf bezüglich des 2-wöchigen Wechsels mit der Skateboard-AG sowie den groben Inhalten. Hierzu gehörte auch die individuelle und gemeinschaftliche Zielsetzung für das Medienprojekt. Bevor es zur Ideensammlung für die Inhalte des Bounds ging, wurde das Workbook von HIGH FIVE mit den Schüler*innen besprochen. Im Workbook findet man verschiedene Levels mit verschiedenen Aufgaben bzw. Zielen und viele Informationen über das Skaten.
Erste Ideen für Aufgaben (Tricks, Übungen, Quizfragen etc.) wurden in einem Storyboard gesammelt und Zuständigkeiten hierfür verteilt. Die Aufgaben wurden im Verlaufe des Medienprojektes immer wieder angepasst.
Phase 3: Einführung Computer und Actionbound
Da einige Schüler*innen (vor allem in der fünften Klasse) noch Schwierigkeiten mit der Bedienung eines Computers hatten, starteten wir mit den Basics. Ein- und Ausschalten des Computers, Tastatur und Maus bedienen, Dateien sowie Ordner erstellen, umbenennen und speichern, den Internetbrowser öffnen und wie man über Google Informationen oder Bilder suchen kann. Sobald die Basics erlernt waren ging es über den Internetbrowser auf die Seite des Actionbound-Creator, um die Gestaltungsmöglichkeiten in der App kennenzulernen. Die Struktur (verschiedene Ordner pro Kleingruppe) wurde von uns vorab bereits vorbereitet, sodass die Schüler*innen sich schnell zurechtfinden konnten. Vom Einloggen, über das Finden des Gruppenbounds, dem Hinzufügen von Aufgaben, Texten und Medien bis hin zur Sortierung bzw. den Anordnungsmöglichkeiten der Aufgaben wurde alles von den Schüler*innen selbstständig ausprobiert und ausgeführt.
Auszüge aus dem Actionbound-Creator
Phase 4: Medien erstellen
Diese Phase stellte die zeitintensivste Phase dar. Zu Beginn stand die Aufgabenbeschreibung auf dem Plan. Die Schüler*innen formulierten ihre Aufgabenstellungen in Word aus, kopierten diese nach Fertigstellung und pflegten sie in Actionbound ein. Sobald das getan war wurden die Ideen konkretisiert, welche Medien sie für die visuelle Aufwertung der Aufgabe verwenden wollten und wie genau das Endergebnis aussehen soll. An mehreren Terminen probierten die Schüler*innen verschiedene Medien aus und erzeugten Fotos, Videos, StopMotion-Videos, Musik, GIF´s und selbstgemalte Bilder in Paint. Hierzu nutzten wir die bereits beschriebene Technik. Die selbstkreierten medialen Inhalte der Schüler*innen wurden nach und nach zu der jeweiligen Aufgabe in Actionbound eingepflegt.
Weihnachten: Trailer Workshop
Vor Weihnachten gab es eine Special-Einheit. Hier produzierten wir mit den Schüler*innen mittels der iMovie-App verschiedene Trailerfilme. Die Schüler*innen mussten sich vorab eines der Projekthemen, die von iMovie vorgegeben sind (Action, Märchen, Bollywood, Helden etc.), aussuchen. Anhand des Themas sollten sie sich in einer Kleingruppe eine Geschichte für einen Film ausdenken. Im Anschluss filmten sie mittels iPads die für ihr Projektthema vorgegebenen Video-Slots und gaben einen zu den Videos passenden Text ein. Zum Schluss schauten wir gemeinsam mit den Klassenleitungen die jeweiligen Trailer an und aßen Plätzchen.
Eine kleine Kostprobe:
Passwort: wsdMAGvH5
Link zum Video: https://vimeo.com/396492826
Phase 5: Schlussphase, Abschlusstreffen mit Präsentation und Reflexion
In der letzten Phase ging es um die Finalisierung der Bounds. Vorerst wurden diese in der jeweiligen Kleingruppe selbst angespielt, um zu sehen, was evtl. noch fehlt oder wo es noch Verbesserungspotenzial gibt.
Nachdem die Feinheiten geändert wurden spielten in der letzten Einheit des Medienprojektes beide Kleingruppen jeder Klasse den jeweils anderen Bound. Wir trafen uns mit der gesamten Klasse in der Turnhalle, um dort auch die Aufgaben mit sportlichem Anteil (Schoner, Skateboard, Rampen) erfüllen zu können. Die jeweils andere Kleingruppe bewertete den Bound, den sie gespielt hatten.
Zum Schluss gab es dann eine Reflexionsrunde, bei der wir mittels 4 Fragestellungen und einer Zielscheibe das Medienprojekt von Seite der Schüler*innen evaluiert haben. Jede*r Schüler*in bekam 4 Klebepunkte und durfte sich zu jeder Fragestellung positionieren.
- Die Kombination von Medien-AG und Skate-AG im Wechsel fand ich…
- Mit verschiedenen Medien zu arbeiten fand ich…
- Den entstandenen Actionbound finde ich…
- Der Arbeitsaufwand war… (Mitte: super, Außen: zu anstrengend, schwer)
Produkte der Veröffentlichung
Pro Klasse und Kleingruppe wurde jeweils ein Bound erstellt. Insgesamt kamen wir auf 4 Bounds, von denen aus Datenschutzgründen nur die beiden Bounds der sechsten Klasse veröffentlicht werden können. Diese werden auf unserer Homepage (www.wearehighfive.com) inklusive Projektbericht präsentiert. Die Bounds wurden beim Abschlusstreffen am 20.02.2020 der jeweils anderen Kleingruppe und den Lehrern präsentiert bzw. gespielt. Darüber hinaus sind beide Bounds über die Actionbound App öffentlich zu finden und es besteht für jeden die Möglichkeit, diese zu spielen. Mit den untenstehenden QR-Codes kann man sie über die Scan-Funktion der App finden.
Fazit
Das Medienprojekt „Skate and Create – Dein digitales Workbook“ wurde seitens der Schüler*innen in den ersten Einheiten erst einmal kritisch beäugt. Sie starteten sehr vorsichtig und zurückhaltend in das Projekt. Als ihnen aber klar wurde, wie viele Freiheiten sowie Gestaltungsmöglichkeiten sie haben und wie viel Spaß das Ganze macht, waren alle voll dabei und konnten es kaum erwarten, in 2 Wochen wieder beim Medienprojekt dabei zu sein. Ähnlich entwickelte sich der Motivationsverlauf – mit zunehmender Projektdauer stieg auch die Motivation an. Es wurde außerdem deutlich, dass einige der Schüler*innen, welche mit Aufmerksamkeitsproblemen zu kämpfen haben, erstaunlich lange bei der Sache bleiben konnten und auch langfristig motiviert waren. Nichts desto trotz waren die Schüler*innen ab und an auch sehr herausfordernd, was es nötig machte, flexibel mit den geplanten Inhalten umzugehen und diese an die aktuelle Tagesform anzupassen. Dementsprechend war der Fortschritt in den jeweiligen Projekteinheiten sehr unterschiedlich.
Bei der fünften Klasse wäre rückblickend betrachtet eine längere Einführungszeit in puncto PC-Grundlagen nötig gewesen. Viele der Schüler*innen taten sich bereits mit den Basics wie der Bedienung der Maus, dem Öffnen des Browsers etc. sehr schwer. Die sechste Klasse hingegen tat sich umso leichter mit der Bedienung des Computers und anderer Hardware. Schön zu sehen war, dass die Schüler*innen, welche erfahrener im Umgang mit Hard- und Software waren, den anderen Unterstützung anboten. So entstand eine tolle Gruppendynamik, durch welche jede*r auf die ein oder andere Weise profitierte. Selbstsicherheit und Selbstvertrauen, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität aber auch die Fähigkeit sich Ziele zu setzen und darauf schrittweise hinzuarbeiten, wurden gefördert.
Bei der Durchführung dieses Projektes ist zu beachten, dass die Schüler*innen zumindest über Grundlagenkenntnisse im Skaten verfügen sollten. Die Projektdauer würden wir außerdem länger als ein Schulhalbjahr ansetzen. So könnte man sich die nötige (mehr) Zeit für die Anfangsphase (Kennenlernen, gruppenbildende Maßnahmen, Einführung in Hardware beispielsweise Perspektiven beim Filmen), die individuellen Wünsche (mehr Arbeit mit GarageBand und der Erstellung von Musik etc.) und die Reflexion zum Schluss nehmen. Der organisatorische Aufwand zeigte sich über das Halbjahr wesentlich aufwendiger, als zuerst angenommen. Würde man die Projektdauer auf ein Schuljahr verlängern würde es auch den organisatorischen Aufwand strecken und somit minimieren.
Was die Technik angeht gab es ab und an ein paar Abstimmungsschwierigkeiten mit der Schule. Ein paar Mal standen wir mit den Schüler*innen im EDV-Raum, welcher besetzt oder ohne Internetzugang war. Dank vorhandener Flexibilität auf allen Seiten wurde dann aber spontan ein Alternativprogramm auf die Beine gestellt. Davon abgesehen funktionierte die Zusammenarbeit mit der Schule, vor allem den Klassenleitungen, aber hervorragend. Wir wurden immer sehr herzlich willkommen geheißen und konnten immer mit der Unterstützung der Lehrkräfte rechnen.
Insgesamt sind wir mehr als zufrieden mit den entstandenen Bounds und der Mitarbeit der Schüler*innen. Unsere ursprünglich recht niedrig angesetzte Aufgabenanzahl wurde von jeder Kleingruppe übertroffen und auch inhaltlich wurde mehr „abgeliefert“ als vorher erwartet. Das Projekt hat den Schüler*innen verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Medien aufgezeigt und hat sie kreativ, gemeinschaftlich aber auch selbstständig an medialen Inhalten arbeiten lassen. Der Spaß am kreativen Prozess und der körperlichen Aktivität (Skaten), und das ist uns besonders wichtig, kam auch nie zu kurz. Somit konnten wir all unsere Projektziele erreichen. Ein großer Dank geht an das medienpädagogische Förderprogramm vom Stadtjugendamt München und Netzwerk Interaktiv, www.kooperationsprojekte-muc.de, welche die Realisierung dieses Medienprojektes möglich gemacht haben!