ZEITZEUG*INNEN4FUTURE – Erinnern verstehen lernen
Mit dem Modellprojekt ZEITZEUG*INNEN4FUTURE ermöglichte DOK.education jungen Menschen, ihre eigenen zeitbezeugenden Blick auf die Gesellschaft auszudrücken. Dafür nutzten sie das Genre Dokumentarfilm und interaktive Ausstellungsformate. Im Vordergrund stand dabei immer das Entdecken des gesellschaftlichen Werts der „scheinbar kleinen, persönlichen Erzählungen“ für zukünftige Generationen.
Im mehrtägigen Projekt setzte sich eine Gruppe Jugendlicher mit Erinnerungen an die Schulzeit auseinander. Dazu erlernten sie die handwerklichen und psychologischen Techniken, um Zeitzeug*innen-Interwiews durchzuführen. Sie befragten Lehrkräfte, ehemalige Schüler*innen und eine Sekretärin zu ihren persönlichen Erinnerungen. Dabei reflektierten sie auch ihre eigenen Eindrücke aus ihrer Schulzeit und hielten diese in Creative-Writing-Schreibübungen fest. Dann entschieden sie, wie sie diese Erinnerungen und Erzählungen in eine künstlerisch-dokumentarische Erzählform bringen. Es entstanden u.a. vier Kurzfilme, die als Teil einer interaktiven Wander-Ausstellung im Rahmen des DOK.fest München und an anderen Orten entdeckt werden können. Besonders schön: Besucher*innen der Ausstellung haben die Möglichkeit sich im Zeitzeug*innen-Kontext mit einzubringen.
„Wir sind, was wir geworden sind.“ – So formuliert der Historiker Hagen Schulze treffend die Bedeutung der Geschichte für unsere Gegenwart. Doch wer schreibt die Geschichte? Wie werden Erinnerungen konserviert und wo fangen Zeitzeugnisse an? Diesen Fragen widmeten sich die Jugendlichen im Herbst 2022/ Frühjahr 2023.
Wie finden wir Projekt-Teilnehmende?
Auf der Suche nach einer einer teilnehmenden Gruppe von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, wurde das Projekt münchenweit über die Social-Media-Kanäle und den Newsletter von DOK.education ausgeschrieben. Es meldeten sich Lehrkräfte, die an der Durchführung des Projektes im Rahmen ihres Unterrichts interessiert waren. Ein Oberstufen-Seminar mit acht Schüler*innen, bewarb sich mit einer klar formulierten Vorstellung dazu, wie sie sich einbringen wollen. Dieser partizipative Ansatz der Beteiligung war uns ein Anliegen. Hilfreich ist in dieser Konstellation die Mitarbeit einer engagierten Lehrkraft, die uns in der Kommunikation mit den Schüler*innen unterstützte.
Projektablauf – Welche Schritte sind wir gegangen?
Das Projekt umfasste zehn Workshop-Tage, an denen das Team von DOK.education die Gruppe im Rahmen 90-minütiger Workshops mit gezielten Aufgaben anleitete.
Die erste Erkenntnis: Erinnern ist subjetiv. Geschichte auch. Was bedeutet Erinnern? Wer ist ein Zeitzeuge? Wie schreibt man Geschichte? Und dass selbst ein Dokumentarfilm nicht Wahrheit ist, sondern ein „Erzählen mit der Wirklichkeit.“, war ebenfalls Thema der ersten Workshopeinheiten.
Bei der für die Umsetzung notwendigen Eingrenzung auf ein Themengebiet, traf die Gruppe selbstständig eine Entscheidung: Mikrokosmos Schule. Auf diesem Gebiet waren die Teilnehmenden als Expert*innen des Schulalltags in einer wissenden Ausgangsposition. Sie recherchierten eine Auswahl an geeigneten Zeitzeug*innen und trafen auch hier eine Auswahl.
In filmpraktischen Übungen lernten die Teilnehmenden, Licht, Kameraeinstellungen und Bildkomposition in Interviewsituationen erzählerisch anzuwenden. In weiteren Übungen trainierten sie, Interviewfragen so zu formulieren, dass sie mögliche Zeitzeug*innen ins Erzählen bringen können. In Gruppen erarbeiteten sie dann einen strategischen Aufbau der Fragen und suchten nach dabei nach Formulierungen, die berührende Erinnerungen auslösen. Anschließend filmten und führten die Teilnehmenden je ein 20minütiges Interview mit den Zeitzeug*innen eigenständig durch. Sie nutzten dafür Tablets und Smartphones.
Alle Interviews wurden mit dem KI-Programm Amberscript transkribiert, um die besonderen Momente auf Papier markieren zu können und sich für den anstehenden Filmschnitt zu organisieren. Jedes geschnittene Gespräch sollte 5 Minuten dauern und als eigenständige Erzählung funktionieren, bei der die Fragen nicht zu hören sind. Die Erinnerungen der Personen sollten im Vordergrund stehen, nicht das Gespräch oder die Filmemacher*innen.
Zur Inspiration für die eigene finale Präsentationsform des Zeitzeug*innen4future-Projekts, besuchten wir die Ausstellung München 72 im Münchner Stadtmuseum. Im Gespräch mit u.a. Andrea Engl (Museumsleitung / Partizipation) erfuhren die Schüler*innen, wie man mit verschiedenen Medien und Ausstellungsformen persönliche Erinnerungen erfahrbar machen kann.
In der darauf folgenden Workshopeinheit wurden die gefilmten Interviews durch eine zweite Erzählebene, die „autonome Bilder“ von Gegenständen und Orten im Schulgebäude, ergänzt. Mit diesem Material erstellten die Schüler*innen vier Kurzfilme, die im Anschluss besprochen und im Feinschnitt betreut wurden.
Im letzten Schritt wurde geplant, wie die Kurzfilme in eine interaktive Ausstellung gebracht werden können, die die gesellschaftliche Bedeutung der persönlichen Erinnerungen in einen größeren Kontext setzt. Mit kreativen Schreibübungen zur eigenen Schulzeit und fotografischen Portraits der Schüler*innen bringen sich die Schüler*innen als tagesaktuelle Zeitzeug*innen ein. Diverse interaktive Elemente, wie die Abstimmungs-Vasen, ein Mitmach-Board und weitere Beteiligungsformate motivieren Besuchende, ihre eigenen Erinnerungen zu teilen.
Raum, Zeit und Technik – was braucht es?
Das Projekt fand im Rahmen eines wöchentlichen Praxis-Seminars statt und somit in den Räumlichkeiten der teilnehmenden Schule. Es ist sinnvoll, dass die Workshopeinheiten von einem durchgängigen Team begleitet werden. Von Vorteil ist, wenn die Schule technisch gut ausgestattet ist: Digitales Whiteboard für Filmpräsentationen und Powerpoints und Tablets, in unserem Fall iPads, die wir zum Filmen und Schneiden der Kurzfilme nutzen konnten. Achtung: Schul-Tablets konnen vom Administrator jeden Tag geupdatet werden – jegliche Arbeiten udn Aufnahmen müssen am Workshopende immer sofort gesichert und auf einer Festplatt gespeichert werden. Andere technische Geräte, die zum Einsatz kamen waren: Fotobox zum Filmen der autonomen Bilder, ein Stativ und eine Fotokamera.
Blick in einen Teil der Ausstellung: Die vier Kurzfilme
Im Interview erzählt sie von den den Kolleg*innen und den Veränderungen im Laufe ihrer Zeit.
Sie erzählt aus ihrer Schulzeit und davon, wie es ist, das Schulhaus jetzt wieder zu betreten.
Im Interview erzählt sie von ihrem Arbeitsalltag und den besonders emotionalen Erlebnissen.
Wo kann man die Ergebnisse sehen?
Die Ergebnisse dieses Modellprojektes werden auf der Webseite www.dokfest-muenchen.de/Zeitzeug_innen4future präsentiert und im Rahmen des DOK.fest München, in einer multimedialen, interaktiven Ausstellung in der Münchner Stadtbibliothek vom 06. – 21. Mai 2023. Die Ausstellung wird über die Kanäle des DOK.fest München und im Programmheft von DOK.education flächendeckend angekündigt.
Impressionen der Ausstellungseröffnung und dem Gespräch mit den Schüler*innen des Projektes finden Sie in unserer Bildergalerie.
Hier finden Sie die Webseite zur Ausstellung: www.dokfest-muenchen.de/Zeitzeug-innen4future-Ausstellung
Unser Fazit
Zeitzeug*innen4future ist ein Modellprojekt, welches das Erinnern an die Schulzeit durch Zeitzeug*innen-Interviews ermöglicht und dabei das kreative Arbeiten mit dokumentarischen Erzählformen und den Einsatz von Tablets im Unterricht nutzt.
Damit junge Menschen dokumentarisches Erzählen mit dem Medium Film nachhaltig erlernen, verstehen und in die Praxis umsetzen können, bedarf es Betreuung und Vermittlungsarbeit – da die Filmform als solche oftmals noch nicht gelernt wurde.
Herzlichen Dank für die Förderung von Stadtjugendamt München und Netzwerk Interaktiv, die solche Projekte möglich machen!
Bei Interesse oder Rückfragen, kontaktieren Sie uns gerne:
Kathi Seemann, education@dokfest-muenchen.de